Wie von Geisterhand
Die Ausgangssituation in der Arburg-Transportlogistik war klar: Die durch eine neue Halle erweiterten Montageflächen machten den Ausbau der internen Förderanlagen erforderlich. Die neue, dritte Montagehalle, die in den Jahren 2019/2020 in der Verlängerung der beiden bestehenden Hallen errichtet wurde, musste logistisch angebunden werden. Die bisherigen Montagehallen werden vom zentralen Hochregallager aus mit einer Elektrohängebahn versorgt. Das neue Transportsystem wurde von Anfang an fahrerlos ausgelegt und bindet die neue Halle in die bestehende Logistikkette ein, so dass eine kontinuierliche, reibungslose Versorgung aller drei Hallen gewährleistet ist.
Wieso wurde auf ein Fahrerloses Transportsystem (FTS) gesetzt?
Helmut Stumpp, Gruppenleiter Transport, beantwortet die Frage so: „Zunächst weist das FTS eine viel höhere Flexibilität bei Auf- und Abgabepunkten auf als die vorhandenen automatischen Systeme wie z. B. die Elektrohängebahn. Die Anlieferung kann direkt zum Werker und die Abholung direkt an der ‚Werkbank‘ erfolgen. Das gesamte System ist dreischichtig einsetzbar und lässt sich schneller, günstiger und unkomplizierter durch zusätzliche Übergaben erweitern. Wir konnten dadurch unseren Automatisierungsgrad in der Montage weiter ausbauen und sind ohne Eingriffe in die Bausubstanz der Hallen ausgekommen, was auch sehr wichtig war.“
Die Zielsetzung
Liest sich leicht: Das FTS soll Arburg-Paletten mit Sondermaß, Halb-Euro- und Euro-Paletten sowie Maschinenkörper auf einem Gesamtfahrweg von rund 350 Metern in die neueste Montagehalle transportieren. Eingesetzt werden dazu insgesamt sieben Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) mit sieben Batterieladestationen – also jeweils eine für jedes Fahrzeug. Die Terminals funktionieren webbasiert auf Basis des bestehenden WLAN-Funknetzes bei Arburg.
Bei sechs der sieben FTFs handelt es sich um automatisierte Gabelstapler des Typs „Amadeus“, die den Palettentransport übernehmen. Bei den Arburg-Paletten mit Rahmen betragen die Maße 1.400 x 1.000 x 350 Millimeter, sie können ein maximales Gewicht von 1.750 Kilogramm tragen. Die Europaletten mit Rahmen sind 1.200 x 800 x 330 Millimeter groß und können mit 1.000 Kilogramm beladen werden. Die Größe der Halbeuro-Paletten mit Rahmen liegt bei 600 x 800 x 300 Millimeter, die Traglast bei 750 Kilogramm.
Hinzu kommt ein weiteres FTF für Maschinenständer mit imposanten Ausmaßen von 5.000 x 1.700 x 2.250 Millimetern, das wiederum eine Zuladung von 1.800 Kilogramm erlaubt. Das sogenannte „4-Wege-FTF“ kann sich unter anderem im sogenannten „Hundegang“ vorwärtsbewegen. Diese Diagonal-Lenkung erlaubt das quere Versetzen eines Fahrzeugs, sodass der Fahrweg so eng wie möglich gestaltet werden kann. Das Fahrzeug ist mit einem Plattenförderer und einer Datenlichtschranke ausgestattet. Zusätzlich ist ein Belegt-Sensor angebracht, der prüft, ob sich auf dem Plattenförderer ein Ladungsträger befindet.
Bei allen FTFs ragt die zu transportierende Ware nicht über die Abmessungen der Paletten bzw. Fahrzeuge hinaus. Wichtig auch: Das Fahrerlose Transportsystem findet ausschließlich im Innenbereich der Montage Anwendung und ist so keinen Wettereinflüssen ausgesetzt.
Herausforderungen im Projekt
Ein wichtiger Aspekt mit erheblichen Auswirkungen sind die übrigen „Verkehrsteilnehmer“ auf den vorgesehenen FTS-Fahrwegen. Bei Arburg handelt es sich hier um den „normalen“ Personenverkehr sowie um Routenzüge, den Fahrradverkehr und diverse Flurförderzeuge wie Gabelstapler, Nieder- und Hochhubwagen. Um autark transportieren zu können, müssen die FTF also Hindernisse erkennen und davor auch stoppen. Um Schäden zu verhindern, müssen dabei besonders die flachen Gabeln anderer Flurförderfahrzeuge erkannt werden.
Auf alles vorbereitet
Die Navigation der FTF arbeitet mit Laser in Kombination mit Umgebungsmerkmalen. Dabei wird eine Positioniergenauigkeit von +/- 20 Millimetern erreicht. Die Fahrzeuge fahren selbstständig und rechtzeitig „ihre“ Ladestation an, um sich aufzuladen.
Zur zukünftigen Erweiterung sind auch Fahrwege gekapselter Layouts möglich. Die Veränderung der Anzahl von Fahrzeugen ist jederzeit im laufenden Betrieb möglich. So kann auf das zukünftige Wachstum des Unternehmens flexibel reagiert werden.
Transport- und Übergabepunkte
Vom Hochregallager aus transportieren die Elektrohängebahn (EHB) und andere Flurförderzeuge alle in der Montage benötigten Teile und Komponenten in die drei Montagehallen. Im Durchgang zwischen den beiden bestehenden hin zur neuesten Montagehalle wurde die FTS-Erweiterung geplant und realisiert, die laut Helmut Stumpp den Transportbeginn im Mai 2023 aufgenommen hat.
Von Juni bis August wurde der Materialfluss durch einen Palettenheber bis in das Erdgeschoss der neuen Montagehalle vervollständigt. Das Transportvolumen der Erweiterung beträgt ca. 30 Transporte pro Stunde, wobei Maschinenkörpertransporte ausgenommen sind. Diese sind nur in geringerem Umfang erforderlich.
Beispiel: Ablauf der Auslagerung aus dem Maschinenständerlager
Insgesamt 14 Schritte laufen ab, um die Auslagerung eines Maschinenständers aus dem Lager über das „4-Wege-FTF“ umzusetzen – ein gutes Beispiel für die Komplexität der Vorgänge, die notwendig sind, um ein Fahrerloses Transportsystem reibungslos zu betreiben.
Zunächst wird der Fahrauftrag zur Auslagerung im Transportleitsystem (TLS) angelegt. Danach fährt das FTF zum Maschinenständerlager und meldet sich vor dem Zugangstor an. Das TLS setzt den Auslagerauftrag auf Status „aktiv“, wenn kein anderer Auftrag anliegt. Der Lagerkran fährt zum Lagerplatz (Quelle), nimmt den Maschinenständer auf und fährt den Einfahrbereich des FTF frei. Danach gibt das TLS dem FTF den Fahrauftrag zur Einfahrt von seiner Zwischenposition in das Maschinenständerlager.
Das Lager meldet dem FTF Einfahrfreigabe (Torfreigabe), das FTF fährt ein und meldet „Position im Lager erreicht“ (Freigabe Lager und „Tor schließen“). Das „4-Wege-FTF“ wird beladen, das Lager meldet die Beladung und das Anfahren des Ausweichplatzes an. Vom FTF kommt jetzt die Anmeldung zur Ausfahrt, woraufhin das Lager die Ausfahrfreigabe erteilt. Nachdem die Ausfahrt erfolgt ist, meldet sich das FTF vor dem Tor wieder. Das Maschinenständerlager schließt das Tor und setzt den Lagerkran wieder aktiv für neue Aufträge an die Elektrohängebahn. Dann folgt der letzte Schritt: Das FTF fährt den Maschinenständer zum Heber in der Montagehalle und meldet die Ankunft.
Wie die Übergabe des Transportgutes erfolgt
Die Quellen, also die Übergabepunkte von der EHB auf das Fahrerlose Transportsystem, sind unterteilt in die Palettenabgabe und in die Maschinenkörper-/Maschinenständeraufnahme. Die Paletten werden von der Hängebahn auf einen Kettenförderer abgegeben, von dem das FTS die Paletten auf der Gegenseite entnimmt. Damit ist ein Kreuzungsverkehr zwischen beiden Transportsystemen vermieden worden.
Die Maschinenkörper holt das „4-Wege-FTF“ selbstständig aus dem Lager. Hier queren FTF und EHB. Die Senken des FTS, also die Abgabepunkte in der neuesten Montagehalle, befinden sich im Untergeschoss (UG). Auch hier erfolgt die Abgabe zweigeteilt, und zwar einerseits wieder über einen Kettenförderer für die Paletten.
Die Maschinenständer werden über einen zweiten Geschossheber mit aufgesetztem Plattenband übergeben und in das Erdgeschoss gehoben. Im Erdgeschoss werden dann sowohl Paletten als auch Maschinenkörper auf die entsprechende Fördertechnik abgegeben.
Systemintegration des FTS
Mit der Umstellung auf SAP EWM zur effizienten Verwaltung von Lagern und der Abwicklung sowie Überwachung von Warenbewegungen im Jahr 2022 werden Fahraufträge von SAP EWM über Schnittstellen an das Transportleitsystem (TLS) gesendet. Von dort werden diese dann an die unterlagerten Systeme oder Schnittstellensysteme weiterverteilt. Das FTS ist an das TLS angebunden. Die Kommunikation in der Schnittstelle wird über Telegramme bestehend aus Kopf- und Nutzdaten gesteuert.
Die Pressemitteilung wurde von der Firma Arburg verfasst.
Diese und weitere Pressemitteilungen finden Sie zum Download auch auf deren Website unter www.arburg.com.