FTS von DS Automotion flexibilisiert Wärmepumpen-Montage bei Stiebel Eltron
Wärmepumpen helfen, die Klimaziele zu erreichen. Als umweltfreundliche Heiz- und Kühlsysteme nutzen sie anstatt fossiler Rohstoffe Energie aus der Umgebungsluft, dem Erdreich oder dem Grundwasser. Im Werk Holzminden produziert Stiebel Eltron Wärmepumpen in vielen verschiedenen Ausführungen auf einer gemein-samen, hochflexiblen Produktionslinie. Dort sorgt ein fahrerloses Transportsystem von DS Automotion für den vollautomatischen, bedarfsgerechten Transport zwischen Gruppen von Handarbeitsplätzen, die mittels starrer Fördersysteme verbunden sind.
Nicht nur in Industrie und Verkehr, auch in der Haustechnik schickt die Energiewende Öl und Gas in den Ruhestand. Smarter, umweltfreundlicher Technik als Voraussetzung für die Energiewende gehört die Zukunft im Haus. Wärmepumpen nutzen statt fossiler Rohstoffe wie Kohle, Öl und Gas thermische Energie aus der Umgebungsluft, dem Erdreich oder dem Grundwasser, Strom dient der Wärmepumpe als Antriebsenergie.
Wärmepumpen verbrauchen jedoch nur einen Bruchteil dessen an elektrischer Energie, was sie in Form von Wärme oder Kälte bereitstellen. Als zukunftssichere Systeme vermindern Sie wesentlich den durch Heizung und Kühlung entstehenden CO2-Ausstoß und sind daher eine Schlüsseltechnologie, um die Klimaziele zu erreichen.
Flexible Wärmepumpenproduktion
Zu den weltweit führenden Herstellern von Wärmepumpenheizungen gehört die Stiebel Eltron GmbH & Co. KG. Der 1924 gegründete Hersteller von Elektro-, Warmwasser- und Heizgeräten begann als einer der Pioniere dieser Technik anlässlich der Ölkrise bereits in den 1970er Jahren, Wärmepumpen zu entwickeln und zu produzieren. Das zunehmende Umwelt- und Klimabewusstsein führte zu einer kontinuierlich steigenden Nachfrage. Noch bevor die weltpolitischen Verwerfungen der jüngsten Zeit diesen Trend durch stark steigende Gaspreise noch beschleunigt haben, entschloss sich Stiebel Eltron zum Ausbau seiner Produktionskapazitäten am Standort Holzminden.
Die rund 2.000 Mitarbeitenden im dortigen Wärmepumpen-Kompetenzzentrum produzieren zahlreiche Modelle in verschiedenen Leistungsklassen zur Innen- und Außenaufstellung, die nach dem Luft-Wasser-, Sole-Wasser- oder Wasser-Wasser-Prinzip arbeiten. Diese Produktvielfalt und die damit verbundenen Bedarfsschwankungen brachten die modellbezogenen Fertigungslinien an ihre Grenzen. Beispielsweise mussten die Wärmepumpen auf Montagewagen von Hand von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz geschoben werden. Das Konzept war wenig flexibel.
Deshalb plante die Abteilung „Rationalisierung und Betriebsmittel“ eine als „Multilinie“ bezeichnete, hochflexible Produktionsanlage für Luft-Wasser-Wärmepumpen. Diese sollte in der Lage sein, sämtliche Typen einschließlich aller Varianten in kleinen Losgrößen bis hinunter zum Einzelstück zu produzieren. „Die Montageabfolge der einzelnen Modelle ist sehr unterschiedlich, sodass eine durchgängig starre Montagestrecke nicht infrage kam“, erklärt Roman Flegel, M. Sc., Prozessingenieur für Rationalisierung bei Stiebel Eltron und Multiline-Projektleiter.
Mischsystem mit fahrerlosem Transportsystem
In der Multiline-Anlage sind die ersten beiden Handarbeitsplätze mit einer Schubketten-Fördereinrichtung verbunden, da die Arbeitsschritte bis zum Aufsetzen der Verdichter im selben Takt erfolgen können. Die Bearbeitungszeiten im anschließenden Schritt an den vier Stationen zum Löten des Kältekreises sind deutlich länger und zudem von Modell zu Modell verschieden. Deshalb erfolgt der Transport dorthin mit einem fahrerlosen Transportsystem (FTS).
Gleiches gilt für den Weitertransport zur Verdampfermontage, in die Prüfkammer und abschließend in ein Pufferlager. Von dort gelangen die Wärmepumpen wieder per FTS zu einem Übergabeplatz zum Arbeitsbereich, in dem Verkabelung, Isolierung und Gehäusemontage erfolgen. Dort übernimmt wiederum ein fix installiertes Fördersystem den Transport zu den einzelnen Arbeitsplätzen.
Erfolgreiche Partnersuche
Die Rationalisierer bei Stiebel Eltron hatten bereits seit mehreren Jahren Erfahrung mit Fahrerlosen Transportsystemen. Deshalb fiel es ihnen nicht schwer, diese Technologie in ihr Konzept aufzunehmen. Auch für die Umsetzung der Multiline-Anlage mit gemischten Technologien trat die Abteilung „Rationalisierung und Betriebsmittel“ als Generalunternehmer auf.
Mit der Herstellung der ortsfesten Förderanlagen beauftragte Stiebel Eltron die Knoll Maschinenbau GmbH. Das Unternehmen lieferte auch die Werkstückträger. Diese können durch Kunststoffeinlagen von Stiebel Eltron-Wärmepumpen aller herzustellenden Größen aufnehmen und eignen sich für die Verwendung sowohl auf den festen Anlagen als auch auf den fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF).
Aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse müssen die FTF für die Bedienung des Pufferlagers die Fähigkeit haben, sich völlig flächenbeweglich durch den Fahrkurs zu bewegen. Die Wahl fiel auf die DS AUTOMOTION GmbH. Der erfahrene FTS-Hersteller aus Österreich entwickelt und produziert seit beinahe 40 Jahren ausschließlich fahrerlose Transportsysteme. Seine Systeme sind für ihre hohe Industrietauglichkeit und Zuverlässigkeit bekannt. „DS AUTOMOTION konnte als einziger FTS-Hersteller ein passendes omnidirektionales Unterfahr-FTF anbieten“, erklärt Roman Flegel. „Zusätzlich erfolgt in der FTS-Leitsteuerung nicht nur die Zuweisung der Transporte an die Fahrzeuge, sondern auch die Verwaltung des Pufferlagers.“
Omnidirektionaler Transport
Das Unterfahr-FTF OSCAR omni navigiert auf engstem Raum. Die Servoantriebe seiner bewährten Antriebstechnik sorgen dabei auch in engen Stationsverhältnissen für eine hohe Laufruhe und Positioniergenauigkeit. Ihren Kurs überprüfen die Fahrzeuge frei navigierend mittels konturbasierter Lasernavigation, bei Stiebel Eltron zur Erhöhung der Präzision ergänzt um die Koppelnavigation anhand von Magnetpunkten. Dank der extrem niedrigen Bauweise mit nur 310 mm Schulterhöhe eignen sich die FTF für eine große Anzahl an Unterfahr-Transporten.
„In der Stiebel Eltron-Multiline transportieren die OSCAR omni nicht nur die Wärmepumpen auf deren Werkstückträgern von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation“, präzisiert Kai Hoffmann, Vertriebsleiter Deutschland bei DS AUTOMOTION. „Sie übernehmen zusätzlich die Bereitstellung des benötigten Materials zu den Lötarbeitsplätzen in Rollwagen.“ Das Aufnehmen und Absetzen der Nutzlast von bis zu 1.000 kg erfolgt automatisch mittels einer integrierten Hubeinrichtung mit 160 mm Hub. „Die FTS-Anlage mit OSCAR omni ermöglichte die erforderliche Reduktion der benötigten Fläche für das Pufferlager um 50 %“, berichtet Roman Flegel. „Das hält auch die Wege kurz, sodass wir mit nur vier Fahrzeugen auskommen.“
Flottenmanagement und mehr
Die Leitsteuerung NAVIOS berechnet die Fahraufträge für die FTF. Dazu nutzt sie Daten, die sie einerseits direkt aus dem ERP-System erhält, andererseits auch aus der Förderanlage. Die Kommunikation mit dieser, auch für die Lastübergabe, erfolgt über das offene Protokoll OPC-UA. Auch die Verwaltung des Pufferlagers erledigt NAVIOS, dessen Funktionalitäten weit über die eines reinen Flottenmanagementsystems hinaus reichen.
Mit den FTF kommuniziert NAVIOS nicht nur bei Stiebel Eltron, sondern bereits generell im Standard über die genormte Schnittstelle VDA 5050. „Das gibt Anwendern die Freiheit, auch Fahrzeuge anderer Hersteller einzusetzen, wenn diese für den spezifischen Einsatzzweck besser geeignet sind“, erläutert Kai Hoffmann, und Roman Flegel ergänzt: „Auch wenn wir aktuell keinen Anlass dazu sehen, ist es beruhigend, bei Bedarf die Möglichkeit zu haben.“
Vorzeigeprojekt in Sachen Industrie 4.0
Obwohl wegen der hohen Auftragszahlen der Produktionsbetrieb parallel weiterlaufen musste, gelang es in weniger als einem Jahr, die Multilinie produktionsreif aufzubauen. „Die Anlage läuft seit der Inbetriebnahme Mitte 2021 im Dreischicht-Produktivbetrieb und bietet neben kürzeren Reaktionszeiten auch die Möglichkeit, sogar neue Produkttypen oder Nullserien über die Multilinie zu fahren“, sagt Roman Flegel. „Durch die Verknüpfung der Produkt- und Auftragsinformationen mit der intelligenten, FTS-basierten Förderlösung schufen wir gemeinsam mit unseren Partnern, vor allem mit DS AUTOMOTION, ein echtes Vorzeigeprojekt in Sachen Digitalisierung und Industrie 4.0.“
Wie es bei Projekten dieser Komplexität auf Basis neuester Technologie mit zahlreichen Schnittstellen häufig vorkommt, erfolgte auch hier der Start nicht ganz friktionsfrei. „DS AUTOMOTION hat uns damit nicht allein gelassen und war stets zeitnah zur Stelle, wenn es um Problemlösungen oder Weiterentwicklungen ging“, bestätigt Roman Flegel. „Nach der Behandlung einiger ‚Kinderkrankheiten‘ erfüllt die Multiline nun bravourös alle an sie gestellten Erwartungen und gewährleistet auch auf längere Sicht eine effiziente und wirtschaftliche Wärmepumpen-Produktion.“ Vor allem gelang die angestrebte Steigerung der Produktionskapazität. Auf gleicher Fläche konnte Stiebel Eltron die Stückzahl verdoppeln.
Weiterer Ausbau geplant
Mit dem Essen kommt der Appetit. Die Automatisierung der Wärmepumpen-Produktion soll in einem weiteren Schritt auf die oben erwähnte Endmontage, also die finale Verdrahtung und Isolierung, ausgedehnt werden. Zusätzlich besteht der Plan, auch Endprüfung und Verpackung in die Automatisierungslösung zu integrieren.