Das Beste aus zwei Welten
Die Eigenschaften verlässlich und effizient sind kein Widerspruch mehr. DS AUTOMOTION ist es im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekt mit der RISC Software GmbH und der MTA GmbH gelungen, die Vorteile von FTS und AMR zu kombinieren. Das Motto heißt „planbare Autonomie“ und das Projekt nennt sich MicroAGV. Die neue Navigationstechnologie ermöglicht es den Fahrzeugen komplett autonom zu navigieren als auch auf Wunsch „virtuell“ spurgeführt zu fahren. DS AUTOMOTION löst damit eine wichtige Problemstellung der Anwender zur Verbesserung der Systemleistung.
Verlässlichkeit und Effizienz
Diese Helfer sind rund um die Uhr im Einsatz, sie kennen keinen Hunger und keine Müdigkeit. Sie arbeiten einfach. Die Rede ist von Fahrerlosen Transportsystemen, den sog. FTS oder den Autonomen Mobilen Robotern (AMR). Sie übernehmen punktgenaue Liefertätigkeiten im Produktionsprozess, entlasten die menschlichen Kollegen und sorgen für präzise Abläufe. Sie sind vor allem in hochautomatisierten Produktionen zu finden. Allerdings beschäftigt viele Anwender ein spezielles Problem: die traditionellen FTS müssen einer vorgegebenen Spur folgen und können damit nicht auf sich ändernde Umgebungsbedingungen reagieren – die AMR punkten zwar mit einem höheren Grad an Autonomie bei der Wahl der Fahrwege und dem Umgang mit Hindernissen, sie haben jedoch den Nachteil, dass durch den höheren Freiheitsgrad die Effizienz der Anlage sinkt. Die Entwickler von DS AUTOMOTION, einem weltweit führenden Hersteller von FTS/AMR haben jetzt einen Weg gefunden, um das Beste aus beiden Welten zu verbinden und unter dem Projektnamen „MicroAGV“ die Navigationstechnologie ganz nach dem Motto „planbare Autonomie“ weiterzuentwickeln. „Gemeinsam mit unseren Forschungspartnern RISC Software GmbH und der MTA GmbH haben wir die Flexibilität der AMR auf der einen Seite und die Verlässlichkeit sowie Effizienz klassischer FTS-Systeme auf der anderen Seite kombiniert“, erklärt Andreas Richtsfeld, Bereichsleiter Technologie und Produktentwicklung bei DS AUTOMOTION.
Im Zuge des Forschungsprojekts wurde auch die Hardwarearchitektur des Fahrzeuges verschlankt, um so zukünftig auch kleinere und Kostengünstigere AMR anbieten zu können. „Im Moment ist das MicroAGV in der Entwicklungsphase. Zusammen mit unseren Projektpartnern RISC Software GmbH und der MTA GmbH haben wir aber einen ersten Funktionsprototypen gebaut“, so Richtsfeld.
Kurt Ammerstorfer, Bereichsleiter Vertrieb, Produktmanagement und Marketing bei DS AUTOMOTION wagt einen Blick in die nähere wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens: „Wir erhoffen uns mit der neuen Navigationstechnologie einen Wettbewerbsvorteil, der auch in zukünftigen Produkten und Projekten zum Tragen kommen soll.“ Die neue Methode wurde bereits beim Sally Kurier umgesetzt, der in medizinischen Einrichtungen den Transport u.a. von Sterilgut, Dokumenten, Laborproben, Instrumenten und Medikamenten übernimmt.
Komplett autonom und spurgeführt in einem System
FTS arbeiten „virtuell“ spurgeführt, um die konstante Leistung bei der Ver- und Entsorgung der Produktionslinien mit den benötigten Teilen zu gewährleisten. Sie navigieren entlang von virtuellen Leitspuren – allerdings ohne die Möglichkeit die vorgegebenen Bahnen verlassen zu können. Wer es ein bisschen selbstständiger möchte, setzt auf AMR. Die können gewisse Funktionen autonom erfüllen und Entscheidungen selbstständig treffen. Das macht ihren Einsatz sehr flexibel, da die Arbeitsumgebung weniger reglementiert und weniger strukturiert sein muss. Die Navigation erfolgt dabei meist auf Basis einer konturenbasierten Technologie.
Das MicroAGV kann komplett autonom navigieren, aber auf Wunsch auch virtuell spurgeführt wie ein FTS fahren. Dafür wurde im Rahmen des Forschungsprojektes die Erfassung des Umfelds mittels 2D- (Laserscanner) und 3D-Sensoren (ToF-Kameras) realisiert. Ebenfalls integriert: eine reaktive Navigation, bei der auch die Wege anderer Fahrzeuge bei der eigenen Pfadplanung berücksichtigt werden. Dazu werden die geplanten Fahrtrajektorien anderer Fahrzeuge in die eigene Planung eingebunden. Der neu entwickelte Navigationsalgorithmus zeigte in den ersten Simulationen bereits gute Ergebnisse.
Dank der Kommunikation mit anderen Fahrzeugen oder Betriebsmitteln kann das MicroAGV seine Pfadplanung entsprechend anpassen und Blockierungen verhindern. „Es ist auch möglich, dass der Anwender manuell plant, an welchen Stellen das Verhalten der Fahrzeuge entweder wie ein autonomer mobiler Roboter (AMR) oder wie ein (virtuell) spurgeführtes FTF agieren muss. Der Kunde kann entscheiden, ob er in gewissen Bereichen Flexibilität hinsichtlich autonomer Navigation zulässt z.B. um Hindernisse zu umfahren, oder ob er strenge Regeln und die damit einhergehende Effizienz benötigt, um seine Prozesszeiten sicherzustellen“, führt Richtsfeld aus. Das bedeutet konkret: es können Zonen definiert werden, die das Fahrzeug in eine vorgegebene Fahrspur zwingen, etwa an Engstellen oder Kreuzungspunkten um Kollisionen zu vermeiden.
Neuer Antrieb
Für das MicroAGV wurde ein kompakter und getriebeloser Direktantrieb entwickelt. Im Labor und beim Funktionsprototypen konnten die maximalen Drehmomente und der ruckfreie Betrieb bei Drehzahl 1 U/min in verschiedenen Tests nachgewiesen werden. Mittels eigens entwickeltem Doppelachscontroller werden die beiden Antriebe über ein CAN-Bus-System angesteuert. Damit die Sicherheitsfunktion STO (Safe Torque Off) alle gesetzlichen Rahmenbedingungen und Normen erfüllt, musste diese Funktion von einer akkreditierten Behörde geprüft und zertifiziert werden. „In unserem Fall ist das der TÜV-Nord, der seit Beginn der Entwicklung Teil des Teams ist und die abschließenden Fehlereinbautests durchgeführt hat“, berichtet Richtsfeld. Das Zertifikat wurde bereits im Dezember 2021 ausgestellt.
Mit der erfolgreichen Umsetzung des Forschungsprojekts ist es DS AUTOMOTION gelungen die Basis für zahlreiche AMR-Anwendungen zu schaffen. Dazu steht nun ein Baukasten aus elektrischen, elektro-mechanischen und Software-Komponenten zur Verfügung, mit denen sich künftig unterschiedliche Produkte für die verschiedensten Anwendungen schaffen lassen. Aber auch die Zusammenarbeit des Konsortiums hat sehr gut funktioniert, so die Projektbeteiligten. „Es steht jetzt schon fest, dass die Zusammenarbeit auch nach dem Forschungsprojekt weitergeführt werden wird“, verrät Richtsfeld. Das soll nicht nur den Umfang des aktuellen, sondern auch neue Projekte und Forschungsfelder betreffen, die sich in der Zeit der Zusammenarbeit ergeben haben.